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Dieser Artikel widerspiegelt die Sicht der damals Betroffenen. Wir veröffentlichen dieses Textdokument im Sinne der Geschichtsschreibung.

 

Das «Waldeburgerli», der legendäre historische Dampfzug der Waldenburgerbahn mit der betriebsfähigen 113-jährigen Dampflok, wird nie mehr fahren! Diese traurige Tatsache steht seit Frühjahr 2016 endgültig fest. Die Generalversammlung der Waldenburgerbahn hatte – dem Verdikt der BL-Regierung und der Expertenmeinungen getreu folgend – das Schicksal des Dampfzuges endgültig und freiwillig besiegelt.

Die Haltung der BLT zum Dampfzug

„(…) Die heute praktizierte Form eines organisatorisch weitgehend in die WB integrierten Dampfbetriebs lehnt die BLT ab. Die BLT selber wird keine Dampfbahn betreiben.
(…) Da inskünftig auf dem Areal des Bahnhofs Waldenburg keine Abstellflächen mehr für das historische Rollmaterial vorhanden sein werden, muss entlang der Strecke ein neuer Abstellplatz mit Remise gefunden und erstellt werden.
(…) Die BLT kann dafür keine eigenen Mittel zur Verfügung stellen.“

Das sind Ausschnitte aus dem Brief der BLT an den VDWB, in welchem die neue Eignerin der Waldenburgerbahn dem Weiterbetrieb des Dampfzugs im bis­herigen Modus klar eine Absage erteilt, und dies ohne die Mitglieder der Dampf-Arbeitsgruppe je kennengelernt zu haben!

Wohl wäre die BLT bereit gewesen, dem Verein das Rollmaterial zu überlassen, lehnte aber gleichzeitig sämtliche organisatorischen und finanziellen Hilfestellungen für den Betrieb der Dampfbahn kategorisch ab. Die offerierte Überschreibung des Rollmaterials erwies sich schnell als ein Danaergeschenk, von welcher der VDWB die Finger lassen musste.

Zynischerweise bat die Geschäftsleitung der BLT dann auch noch um eine rasche Entscheidung über den Weiterbetrieb durch den VDWB…

Ausgangslage und Schlussfolgerungen

  • Den Dampfbetrieb wollte die BLT nicht mehr im Rahmen ihrer eigenen Betriebslizenz betreiben; genau genommen will sie gar keinen historischen Zug mehr haben.
    Vielmehr hätte der VDWB oder eine neue Trägerschaft eine Eisenbahn-Verkehrsunternehmung (EVU) gründen müssen.
    Der VDWB war aber nicht in der Lage, eine solche Betriebsgesellschaft zu gründen, weder kompetatorisch, von den personellen Ressourcen her und schon gar nicht von den finanziellen Möglichkeiten.
    Der Finanzbedarf für die Gründung einer EVU, Dokumentationen, Schulung, Sicherheitseinrichtungen und finanzielle Reserven konnte nur ungenau abgeschätzt werden, dürfte sich jedoch in mehrfacher Millionenhöhe bewegen.
  • In der Planung des neuen Bahnhofs Waldenburg sah und sieht die BLT keinen Platz für eine Remise des Dampfzugs mehr vor. Anstelle dessen hätte entlang der Strecke ein neuer Ort gefunden und darauf eine Remise samt Werkstatt gebaut werden müssen: Landkauf, Bewilligungs- und Umweltprüfungsverfahren, Aufbau Remise und Einrichtung einer Werkstatt samt Arbeitsgrube.
    Geschätzter Finanzbedarf: 8 – 10 Mio. CHF.
  • Die Anhängewagen, die in einem verlotterten Zustand sind, benötigen als erstes eine Grundsanierung; eine Arbeit, die von einer Drittfirma hätte durchgeführt werden müsste.
    Finanzieller Aufwand: 2 – 3 Mio. CHF.
  • Anpassung der Lok an neueste Streckensicherungsbestimmungen.
    Geschätzter finanzieller Aufwand: 0,4 Mio. CHF.
  • Damit wäre gerade mal der Weiterbetrieb des Dampfzugs bis zum Wechsel auf die kürzlich beschlossene Meterspur, irgendwann nach 2022, sichergestellt gewesen. Für die dann nötigen Umbauarbeiten auf die neue Spurweite hätten nochmals 1 – 2 Mio. CHF investiert werden müssen.

Auch wenn die BLT dem Verein „Unterstützung bei der Umsetzung der Ausgliederung aus der heutigen Struktur“ grosszügig zusagte, war es völlig klar, dass die Hürden für die Weiterführung des Dampfbetriebs zu hoch gewesen wären. Der Verein konnte das alles einfach nicht stemmen.

Für diese Summen hätten Sponsoren gefunden werden müssen. Dies ist in der heutigen Zeit nicht mehr einfach zu bewerkstelligen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden vom VDWB solche Bemühungen unternommen, denen jedoch kein Erfolg beschieden war.

Der Beschluss über die Zukunft des historischen Dampfzugs wurde an der Generalversammlung 2016 schweren Herzens gefällt:

Angesichts dieser Aussichten beschloss der Vorstand des Vereins Dampfzug Waldenburgerbahn, auf das Angebot der BLT nicht einzugehen und sich nicht mehr für den Weiterbetrieb des Dampfzugs zu engagieren.

Inwieweit spielt die beschlossene Umspurung in diese Situation mit?

Im Prinzip nur am Rande. Es wäre mit überschaubarem Aufwand möglich gewesen, sowohl die Lok als auch die Anhängewagen auf die neue Meterspur umzustellen. Inwieweit dies im technisch-historischen Kontext richtig gewesen wäre, ist eine andere Frage. Aber nochmals: die Umspurung war für den Dampfzug nicht Matchentscheidend.

Hätte man diese Entwicklung nicht kommen sehen müssen?

Im Nachgang ist man immer klüger. Aus heutiger Sicht wissen wir nun, dass Peter Widmer, der damalige Direktor der Waldenburgerbahn, von dem man sich im Sommer 2015 „in gegenseitigem Einvernehmen“ getrennt hatte, bereits seit längerer Zeit in aller Stille eine Obstruktionspolitik betrieben und unbemerkt die Eliminierung des Dampfzugs vorangetrieben hatte. Diese Zeichen erkannte offensichtlich nicht einmal der Verwaltungsrat der WB, der sich nach aussen hin glaubhaft für den Dampfzug einzusetzen vorgab. Wohl litt die freiwillige Dampf-Arbeitsgruppe schon seit längerem unter der fehlenden Kooperation nicht nur seitens Herrn Widmers, sondern mehrheitlich auch seines Personals, aber man gab sich zuversichtlich, dass der Betrieb weitergeführt wurde, denn eine Informationspolitik war nicht existent.

Die Dampf-Arbeitsgruppe konzentrierte sich seit jeher auf ihre Kernaufgabe, dem technischen Unterhalt und Betrieb der Dampflok, im guten Glauben, dass die Zusammenarbeit mit der WB, wie sie sich zu Zeiten der früheren Direktoren bestens bewährt hatte, fortgesetzt würde. Irgendwann musste die Gruppe jedoch erkennen, dass sie über Jahre von der Direktion über deren wahre Absichten im Dunkeln gelassen worden war. Dies führte dann zur Gründung des VDWB im Frühjahr 2012, um die Lage des Dampfzugs in der Öffentlichkeit, in den Medien und der Politik publik machen zu können. Leider mit wenig Erfolg, wie wir heute erkennen müssen!

Ende Feuer für den Dampfzug

Wie geht es nun weiter – was geschieht mit dem historischen Rollmaterial?

Wünschenswert wäre es zweifellos, wenn die Lokomotive konserviert an einem geschützten Ort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte. Dafür böte sich ein Museum an oder eine entsprechende Einrichtung an einem Bahnhof entlang der Strecke, wobei gemäss der Aussage der BLT in Waldenburg dafür ja kein Platz vorhanden zu sein scheint. Das offene Aufstellen der Lok auf dem Bahnhof Liestal analog der 60-er und 70-er Jahre ist sicher keine Variante.

Grundsätzlich werden sich der VDWB und die Dampf-Arbeitsgruppe jedoch nicht mehr dieser Problematik annehmen. Wir ermutigen vielmehr neue lokale, einflussreiche Trägerschaften, die Lok einer würdigen Bestimmung zuzuführen. Es ist denkbar, dass Mitglieder der bisherigen Arbeitsgruppe auf Anfrage dieser Initianten beratend zur Seite stehen könnten.

Fazit: Es ist sehr schade um die schöne Dampflok.

Würde die BLT den über Jahrzehnte bewährten Betriebsmodus der Waldenburgerbahn weiterhin praktizieren und den Dampfbetrieb in ihre Betriebslizenz integrieren – so wie sie es interessanterweise mit ihren eigenen, ehemaligen Birseckbahn-Fahrzeugen tut – hätte die Dampf-Arbeitsgruppe die Möglichkeit gehabt, in absehbarer Zeit den Dampfbetrieb wieder aufzunehmen und das Rollmaterial mit vernünftigem Aufwand für die neue Meterspur-Ära vorzubereiten. An Interessenten für die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe fehlte es jedenfalls nicht.

Wir müssen heute konstatieren, dass es bei sowohl bei der BLT als auch der Politik am guten Willen fehlt. Damit geht mit der Stilllegung einer voll betriebsfähigen 113 Jahre alten Dampflok mehr als nur ein Technikdenkmal verloren, sondern auch ein Stück Geschichte des Waldenburgertals, des Kantons und des Bahnlandes Schweiz überhaupt!

Das Ende des Dampfzugs und dessen mehr als ungewisse Zukunft ist eine Tragödie! Mit dem Auseinandergehen der ehemaligen Dampf-Arbeitsgrup­pe geht zudem ein unschätzbares Know-How unwiederbringlich verloren: die Kenntnisse der Dampflok-Technik, deren Wartung sowie der Fahr-und Heiztechnik.

Das ist bitter und schmerzt alle: die Mitglieder des Vereins und die Bewohner der Talschaft sowie die Eisenbahn- und Nostalgie-Interessierten. Besonders schmerzhaft ist dieser Entscheid für die unermüdlichen Mitglieder der Dampf-Arbeitsgruppe. Sie sieht sich nun mit einem Schlag um all ihre Bemühungen betrogen: Über 40 Jahre ehrenamtliche Fronarbeit mit einem eine immensen Aufwand, um den historischen Dampfzug authentisch zu betreiben, zur Freude der Bevölkerung und im Sinne der Kantonsregierung, die sich der Erhaltung und Pflege ihrer historischen Denkmäler bei jeder Gelegenheit selbst rühmt. Das Ende der Zusammenarbeit mit der Dampfgruppe erfolgte denn auch ohne jeden Dank für die geleisteten jahrzehntelangen Arbeiten, was ein düsteres Bild auf die Betriebs- und Personalkultur nicht nur der ehemaligen Waldenburgerbahn, sondern auch der Baselland Transport AG BLT wirft.

In der Eisenbahnwelt nicht nur der Schweiz wird diese Stilllegung mit Bestimmtheit auf Unverständnis und Kopfschütteln stossen. Während andere Bahnen ihr historisches Rollmaterial pflegen und hegen, entledigt sich die BLT mit einer verächtlichen Handbewegung von ihrer gepflegten und voll betriebstüchtigen historischen Dampflok!

Ironischerweise fand die allerletzte Dampffahrt am 8. November 2014 statt, zu Ehren des legendären Fritz Miesch, der in jungen Jahren Mechaniker und Dampflokführer der Waldenburgerbahn war und später als Obmann seiner Dampf-Arbeitsgrup­pe seine profunden Kenntnisse zur Verfügung stellte. Für seinen 100. Geburtstag durften wir den Zug nochmals in Betrieb nehmen. Zumindest war diese Fahrt der würdige Abschluss einer historischen Epoche.